Leben und Werk
Winogrands Eltern Abraham und Bertha stammten aus Budapest und Warschau. Sie immigrierten in der Zwischenkriegszeit in die Vereinigten Staaten, wo Winogrands Vater als Arbeiter in der Bekleidungsindustrie ein Auskommen fand. Winogrand selbst wuchs mit seiner Schwester Stelle unter einfachsten Verhältnissen in einem vorwiegend jüdisch geprägten Arbeiterviertel der Bronx, dem nördlichen Stadtbezirk von New York, auf. 1946 schloss er die High School ab und trat in die Air Force ein.
1947 kehrte Winogrand zurück nach New York und nahm ein Studium der Malerei und der Fotografie an der Columbia University auf. 1951 trat er in die Fotojournalistenklasse von Alexey Brodovitch an der damaligen New School for Social Research ein. Noch als Student heiratete er 1952 Adrienne Lubeau. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder, Laurie und Ethan, hervor. Nach der Trennung 1963 wurde die Ehe 1966 geschieden.
Nach seinem Studium arbeitete Winogrand zunächst als selbständiger Fotojournalist und Werbefotograf. Von 1952 bis 1954 war er für die Pix Photo Agency in Manhattan tätig, danach wechselte er zu Brackman Associates. Schon 1955 befanden sich zwei seiner Fotografien in der berühmten Ausstellung The Family of Man im Museum of Modern Art (MOMA). Seine erste Einzelausstellung hatte Winogrand 1959 in der Image Gallery. 1963 wurden Fotografien von ihm im MOMA gemeinsam mit Arbeiten von Minor White, George Krause, Jerome Liebling und Ken Heyman gezeigt. In der Folge gab er die Auftragsfotografie auf und arbeitete nur noch künstlerisch.
Winogrand ist hauptsächlich als Vertreter der Straßenfotografie bekannt. Obwohl Fotografen vor ihm, wie André Kertész und Henri Cartier-Bresson, auf der Straße fotografierten, so muss doch Winogrand als der eigentliche Urheber dieses Genres angesehen werden. Seine Dokumentation des öffentlichen Alltags wirkte stilbildend für die kurz darauf ähnlich arbeitenden Lee Friedlander, Tod Papageorge, Diane Arbus und Joel Meyerowitz. Er selbst galt als manischer Fotograf. Winogrand konnte keine Straße entlanggehen, ohne einen Film zu belichten. Jedoch fotografierte er zunächst keineswegs wahllos, sondern komponierte seine Bilder äußerst präzise. Für seine Arbeiten gewann er zweimal den Guggenheim-Preis.
1964 erhielt er ein Guggenheim-Stipendium für ein fotografisches Studium des amerikanischen Lebens. 1966 war Winogrand an einer Ausstellung mit Duane Michels, Bruce Davidson und Danny Lyon im George Eastman House in Rochester beteiligt. Diese Ausstellung trug den Titel Toward a Social Landscape (Unterwegs zu einer Sozialen Landschaft). 1969 konnte Winogrand sein erstes Fotobuch veröffentlichen: The Animals (Tiere), mit Aufnahmen aus dem Bronx Zoo und dem Aquarium von Coney Island. Im selben Jahr erhielt er sein zweites Guggenheim-Stipendium.
1970 bekam Winogrand erste Lehraufträge, die Qualität seiner Bilder nahm jedoch ab. Er unterrichtete zuerst in New York, zog 1971 nach Chicago um und lehrte Fotografie am Illinois Institute of Technology. In Chicago heiratete er 1972 Eileen Adele Hale. In dieser Ehe wurde seine Tochter Melissa geboren. 1973 wechselte er schließlich an die University of Texas in Austin, wo er bis 1978 lehrte.
Mit Hilfe seines dritten Guggenheim-Stipendiums reiste Garry Winogrand durch den Süden und Westen der USA, um mit seinen fotografischen Mitteln sozialen Fragen nachzugehen. Mit den Bildern des 1980 erschienenen Fotobuchs Stock Photography stellte er Bilder von Menschen in Beziehungen untereinander und zu ihren Tieren vor, die er auf der Ford Worth Fat Stock Show and Rodeo, einer Art landwirtschaftlicher Tierausstellung, aufgenommen hatte.
In den letzten Jahren seines Lebens wohnte Winogrand in Los Angeles und ließ sich durch seinen Fotolaboranten im Auto immer wieder an dieselben Orte fahren. Winogrand stieg nicht mehr aus dem Auto aus, sondern fotografierte vom Beifahrersitz. Er ging nicht mehr an seine Objekte und die Menschen heran, er stellte das Objektiv nicht mehr scharf, hielt die Kamera nicht mehr still. Er kaufte eine Leica mit Motor und drückte wahllos ab. Einige Kritiker führten diese Entwicklung auf Los Angeles zurück, die Stadt sei zu groß, das Licht zu grell, zu ausgedehnt, zu automobil für die Straßenfotografie. Andere meinten, die Zeit der Straßenfotografie sei überhaupt vorbei. Am Schluss brach die Qualität seiner Aufnahmen zusammen. Viele tausend waren technisch beschädigt, andere wahllos ausgelöst oder banal.
Am 1. Februar 1984 wurde bei Winogrand Gallenblasenkrebs diagnostiziert. Er ließ sich in einer Klinik im mexikanischen Tijuana behandeln, starb dort allerdings am 19. März 1984 im Alter von 56 Jahren.
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